SPAGAT auf dem TELLERRAND
Wer diese Anstrengung erbringen will, benötigt außergewöhnliche körperliche Geschicklichkeit. Mehr noch. Wer zum Spagat ansetzen will, braucht Willenskraft und Ausdauer, muss sein eigenes Scheitern, aber auch das der anderen Mitstreiter aushalten können, darf nicht lamentieren, sondern muss seine Energie in innovative Lösungsstrategien umsetzen können. Werden Grenzerfahrungen in einem lustvollen Lernprozess gelebt, schaffen sie den Blick auf das Neue, das Unbekannte. Mut und Neugier sind hierbei unverzichtbare Voraussetzungen.
Der Lernprozess erfordert Mut und Neugier auf das Unbekannte.
Diese Prinzipien zu beherzigen, wünscht man sich in Forschung und Lehre.
Im Theaterprozess sind sie konstitutiv.
Kultur als Schlüsselkompetenz
Forschung und Lehre stehen an der Hochschule Bremen zwar im Mittelpunkt.
Im oft zitierten „Blick über den Tellerrand“ werden den Studierenden aber auch kulturelle Angebote gemacht. Hierzu gehören neben der Theaterwerkstatt auch der Hochschulchor „IntoNation“ und das Literaturfestival „poetry on the road“.
Wenn es darum geht, die Probleme einer zunehmend komplexen Welt zu lösen, sind Kreativität, Sensibilität, Intuition und Offenheit erforderlich.
Zukunftsforscher Horx spricht schon seit geraumer Zeit von der Zukunft der Kreativen Klasse und meint damit, „dass es jeweils die Produktionsbedingungen sind, die den Erfolg einer neuen Klasse ausmachen. Immer mehr Wissensarbeit statt Produktionsarbeit, immer mehr Kommunikation statt Kommando.“
Bernd Neumann (ehemaliger Kulturstaatsminister) unterstreicht die Bedeutung von Kultur in Lehre und Forschung: „Zu Beginn der Wertschöpfungskette steht immer der Künstler oder der künstlerische Entwurf, erst dann kommt die Verwertung.“
Theater als Wahlpflichtmodul
Mit Beginn des WS 2017/18 bekommen die Studierenden an der Hochschule Bremen erstmals die Möglichkeit, die Theaterwerkstatt als Modul anzuwählen und sich dafür entsprechende credit points anrechnen zu lassen.
Zwar lebt die Theaterwerkstatt von Beginn an (1999/2000) von der Freiwilligkeit der Anwahl, die Anerkennung zu einem Modul durch die Hochschulgremien ist jedoch das Ergebnis einer gewachsenen Akzeptanz. Kulturelle Angebote haben es an der Hochschule Bremen zunächst einmal nicht leicht. Nahezu 70 Studiengänge sind überwiegend technisch ausgerichtet und auch ihr geisteswissenschaftlicher Anteil u.a. mit dem Schwerpunkt Wirtschaft haben nur wenig kulturelle Kompetenzziele im Programm. Viele Professoren sehen in kulturellen Angeboten eher fakultative Angebote.
Dieser Blick auf kulturelle Inhalte wird durchaus auch von den Studierenden so gesehen. Kulturelle Kompetenzen haben demnach mit einem erfolgreichen Studienabschluss wenig zu tun.
Das kulturelle Grundverständnis von Studierenden lässt sich aber nicht primär entwickeln durch konsumtive Teilnahme an Theater-, Musik- und Literatur-veranstaltungen, sondern durch aktive Einbeziehung kultureller Schlüsselwerte in die Inhalte von Lehre und Forschung.
Wenn sich für das Studium der Stellenwert für kulturelle Inhalte verändern soll, muss ihre Bedeutung curricular sichtbar werden.
Inszenierung von Authentizität und Erwerb von Demokratie-Kompetenz
Zwei Gründe, warum wir Theater machen
„Theater darf nicht langweilig sein. Es darf nicht konventionell sein. Es muss unerwartet sein. Theater führt uns durch Überraschung, durch Erregung, durch Spiel, durch Freude zur Wahrheit. Es macht die Vergangenheit und die Zukunft zu Teilen der Gegenwart, es ermöglicht uns eine Distanz zu dem, was uns normalerweise umfängt und überwindet die Distanz zu anderem, was normaler-weise weit weg liegt.“ (Peter Brook)
Jeder Text, jede Figur, jedes szenische Bild muss es sich verdienen, ein Teil unserer Inszenierung zu werden. Wann ist ein Darsteller, eine Darstellerin autenthisch? Diese Frage stellt sich eigentlich bei jeder Probe und macht den theatralen Prozess für alle Beteiligten so spannend aber auch so anstrengend.
Ein lebendiges, gegenwärtiges Theatererlebnis muss nah am Puls der Zeit sein. Nur so gelingt die Aneignung von Wirklichkeit. Die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung fordert Kompetenzen wie Selbstwirksamkeit, Konfliktfähigkeit, Urteilsfähigkeit, Perspektivenübernahme, Partizipation und das bewusste Reflektieren des eigenen Tuns: Empathie.
Kultur ist grundsätzlich identitätsbildend. Das haben besonders die Inszenierungen „Schiff der Träume“ und unser aktuelles Stück „Peer Gynt“ deutlich gemacht.
Die Zusammenarbeit und das Einbeziehen von Flüchtlingen und geistig behinderten Menschen bedeuten für alle Beteiligten neue und fruchtbare Erfahrungen.
Holger Möller
Die Theaterwerkstatt arbeitet jedes Studienjahr (2 Semester) mit 2 Gruppen.
Sogenannten Einsteigern und Fortgeschrittenen. Leiter der Gruppen sind Roland Huhs und Holger Möller.
Einblicke in unsere Arbeit: facebook.com/Theaterwerkstatt.der.Hochschule.Bremen
Und www.theaterwerkstatt.hs-bremen.de